Inzwischen hatten wir auch die Möglichkeit den Corolla TS zu testen. Und zwar in der Version 2.0 Hybrid Lounge mit Panoramadach. Wir hatten 1 Tag Zeit und sind knapp 150km mit dem Wagen gefahren. Wie beim Model 3 Test, auch hier der Fokus auf dem Alltag mit der Familie.
Anlass auch hier ein Vorabtest der Fahrzeuge, die in 2-3 Jahren unseren Auris beerben könnten. Um die Vergleichbarkeit herzustellen, gehe ich in den gleichen Kategorien vor, wie beim Model 3.
Antrieb:
Der neue 2L Hybrid steht dem Corolla gut. Er zieht ordentlich und hat ein klares Leistungsplus zu unserem Auris. Auch die Antriebsgeräusche halten sich im niedrigen und mittleren Lastbereich sehr angenehm zurück. Wenn Leistung gefordert wird, wird aber auch dieser Hybrid laut. Auch normale Verbrenner werden laut, wenn sie ihre volle Leistung bringen müssen, dennoch hatte ich mir hier mehr erwartet. Hin- und wieder, wenn der Motor langsam drehte ist mir ein leichtes vibrieren aufgefallen, dass deutlich in den Fahrerraum drang. So was gab es beim Auris auch schon.
Den 1.8L kann ich mir beim TS jedoch nicht so recht vorstellen. Weniger Leistung bei mehr Gewicht, im Vergleich zum Auris TS, machen zumindest auf dem Papier nicht wirklich Freude. Vorallem bei einem Kombi, der auch mal ordentlich Gepäck transportieren muss, ggf. auch mal mit Dachbox.
1:0 für den Corolla im Bezug zum Auris
Karosserie:
In diesem Kapitel bin ich hin und her gerissen. Zum einen empfinde ich das Außendesign für völlig überzogen maskuline. Der Corolla macht den Eindruck als schlummere in ihm ein RS4 Gegner. Das empfinde ich als zuviel. Vorallem von hinten ist es übertrieben für ein Familienkutsche mit etwas mehr Leistung als Mainstream.
Anderseits ist die Karosserie besser als beim Auris, was Platz zum einsteigen und Sicht nach den Seiten angeht. Die Sicht nach vorn ist aber nach wie vor schlecht und nach hinten geht es nicht mehr ohne Kamera.
Gleichstand: 2:1
Innenraum und Platzverhältnisse:
Der lange Radstand macht sich beim Ein- und Ausstieg hinten bemerkbar und ist damit ein klares Plus. Auch die üppige Beinfreiheit ist ein klares Plus zum Auris. Positiv ist mir aufgefallen, dass die Gürtellinie hinten scheinbar niedriger und die Fenster größer sind. Finde ich sehr schön.
Überrascht hat mich aber das allgemeine Platzangebot in der Länge. Wenn unser MaxiCosi Axxisfix hinter dem Beifahrer montiert ist, kann ich vorn nicht mehr sitzen ohne mit den Knien an das ausladende Cockpit zu stoßen. Was hat Toyota hier gemacht? Das ist schlechter als im Auris und ein großes Minus auf unserer Liste, weil perspektivisch 2 Kinder und zwei Erwachsene in dem Wagen mitfahren können müssen. Bei 10cm mehr Außenlänge hätte ich da mit einem Plus statt mit einem Minus gerechnet. Enger ist es hinten auch nach oben geworden. Das Panoramadach nimmt mehr Kopffreiheit in Anspruch als noch beim Auris. Dort hatte ich als Sitzzwerg mit 1,83m nie Probleme. Beim Corolla auch nicht aber es wird dort sehr eng nach oben.
Im Normalbetrieb sitzt man jedoch auf allen Plätzen sehr bequem, auf guten Sitzen, die auch optisch was hermachen.
Sehr positiv für den Familienbetrieb: Hinten wird nun aktiv belüftet, mit eigenen Lüftungsdüsen.
Zur Optik gibt es nicht viel zu sagen, die gefällt mir so recht gut , abgesehen vom dunkelnen Dachhimmel der aus dem Auto trotz Panoramadach eine Höhle macht und dem etwas sehr dominanten Armaturenbrett.
Die ISO Fix Bügel sind sehr gut erreichbar und der Kindersitz damit viel einfacher eingebaut als beim Auris. Auch ist nicht mit einer Beschädigung des Sitzbezuges durch dauerhaften Einsatz eines Kindersitzes zu rechnen. Alles ein Plus zum Auris.
Hinten fehlen im Corolla ablagen. Die Türablagen kann man als solche nicht bezeichnen und ansonsten gibt es nichts. Im Alltag mit Kind liegt damit viel auf dem Sitz in der Mitte und rutscht hin und her.
Weiterhin frage ich mich: Warum gibt es wieder einen kleinen Mitteltunnel, hinten im Fußbereich? Und warum ist das Handschuhfach immer noch nicht ausgekleidet, wie es bei der Konkurrenz inzwischen Standard ist.
2:2 knapper Punkt für den Auris, da man dort noch auf dem Beifahrersitz sitzen kann und die Kopffreiheit hinten besser ist.
Kofferraum:
Ich habe keinesfalls den Eindruck, dass der Kofferraum größer ist als beim Auris. Ich habe es nicht ausgemessen aber wenn, dann nur wenn der Ladeboden in der unteren Stellung liegt. Dann entsteht aber am Rücksitz eine Schwelle (dort wo das schmale Fach verbaut ist. Beim Auris konnte man dieses noch entnehmen und hatte dann einen perfekten, tiefen Kofferraumboden. Beim Corolla geht es scheinbar nicht. Beim Blick unter den Kofferraumboden lacht mich ein großes Loch an? Wo ist die Einsatzschale, wie im Auris? Sie gibt es jetzt nur gegen Geld als Zubehör. Schade.
Nach oben ist der Kofferraum nur höher, weil man die Seitenkanten des Gepäckrollos in die Fenster hochgezogen hat. Im Familienbetrieb ist das Rollo aber eh draußen, deshalb ist es nicht relevant. Trotzdem geht durch die Flache Heckscheibe dort wieder Platz für sperrige Sachen verloren.
In Summe ist der Kofferraum nicht besser als der im Auris. Reine Literwerte hatten mich auf mehr hoffen lassen.
Die Auskleidung des Kofferraums macht vor allem auf der 12V Batterie-Seite keinen souveränen und stabilen Eindruck. Ich habe bedenken, dass diese einem beweglichen Gepäckstück lange standhält.
Die elektrische Kofferraumklappe halte ich für eine Spielerei. Im Alltag wartet man laufend auf das Auf- oder Zufahren der Klappe. Das geht manuell schneller und einfacher.
Gleichstand: 3:3
Multimedia und Navigation:
Ein Fortschritt zum Auris. Das ganze System arbeitet endlich flüssig, eine Eingabe am Navi ist einfach und ohne Syntax möglich, ist aber noch lange nicht auf dem Tesla Niveau. Es hat also noch deutlich Luft nach oben. Vor allem die Darstellung des Navis ist aus meiner Sicht nicht gut gewählt. Es werden nicht relevante Nebenstraßen ausgeblendet, die Route wird in einem zarten türkis/blau dargestellt, was zusammen eine Orientierung allein mit der Karte sehr erschwert. Dafür ist es endlich ans Auto angekoppelt und die Navi Informationen werden im Kombiinstrument angezeigt. Sehr gut und übersichtlich. In Summe würde ich auf das Navi verzichten, wenn da nicht Android Auto fehlen würde und damit die Alternative zum Werksnavi. Schade, weil damit ist es wieder nur eine halbgare Lösung.
Das Audiosystem hat sich in Details verbessert, die aber erfreulich sind. Musik über USB ging problemlos auch über die Anwahl von Ordnern. Sehr gut. Die gesamte Arbeitsgeschwindigkeit ist flüssig, es nerven nur die ewigen künstlichen Überblendungen. Eine schnelle Bedienung ist dadurch nicht möglich. Aber vielleicht habe ich die Option zum Abschalten nicht gefunden. Auf das JBL System würde ich verzichten, weil es meinen Ansprüchen nicht genügt. Wie viele Werksaudiosystem versucht es durch kräftigen Bass die Schwächen im mittleren Bereich zu übertünchen. Die Hochtöner sind sehr weit vorn unter der Scheibe untergebracht, besser wäre im Spiegeldreieck oder auf Ohrhöhe in der A-Säule. Der direkte Vergleich mit meiner 800€ Nachrüstlösung im Auris, hat Schwächen beim JBL System gezeigt. Auch fängt der Bass bei manchen meiner Testtitel an zu dröhnen. Ich würde also lieber 800€ in einer Nachrüstung stecken als 550€ für das JBL System auszugeben.
Fortschritt gegenüber dem Auris: Hinten hört man nun auch was. Da sind beim Auris zwar Lautsprecher aber die hört man nicht.
Und dann ist da noch die Kamera: Hier hat es Toyota geschafft eine schlechtere zu verbauen, als im Auris. Das Bild ist deutlich verpixelt, genügt für die Grundfunktion aber trotzdem.
4:3 für den Corolla
Assistenzsysteme:
Ausführlich konnte ich alles nicht testen aber bis auf die nicht zuverlässige Schildererkennung, auf die ich deshalb lieber verzichten würde, hat alles gut funktioniert. In diesem Punkt steht der Corolla dem Model 3, aus meiner Sicht und bei meiner Art Auto zu fahren, in nichts nach. LTA, BSM und ACC funktionieren reibungslos und machen das fahren sehr angenehm.
Mehr kann ich zu diesem Punkt nicht sagen.
5:4 Gleichstand, da auch beim Auris alles was vorhanden ist funktioniert. Das Vorhandensein von mehr Assistenzsystemen ist der Weiterentwicklung in 6Jahren geschuldet und deshalb für mich keinen Punkt wert.
Verarbeitungsqualität:
Auch hier ein Fortschritt zum Auris. Aber auch hier gibt es Licht und Schatten. Materialien und Verarbeitung im Innenraum sind wesentlich besser, Kanten sind ordentlich entgratet und alles Sitz fest und gerade. Konsequent war man beim Brillenfach. Bevor man wieder ein schiefes Fach verbaut, hat man es gleich weggelassen. So geht es auch aber unpraktisch ist es trotzdem. Was geblieben ist, sind die windigen Abdeckungen an der Decke für das Gepäcknetz. Die haben beim Testwagen schon nach 3500km nicht mehr zu gehalten, weil sie genauso billig sind wie im Auris.
Außen ist alles i.O. auch konnte ich bei grauer Wagenfarbe keine Farbunterschiede zwischen Blech und Plastikteilen erkennen.
6:4 für den Corolla
Preis:
Wow, der ist ambitioniert und die Ausstattungspolitik fast schon gewohnt schlecht. Wenn ich auf nichts verzichten will, was im Auris vorhanden ist, muss ich den Lounge mit Panoramadach nehmen. Dann habe ich aber auch die Nachteile des Lounge (18Zöller, Kopffreiheit hinten, elektrische Heckklappe). Noch dazu würde der Pries inkl. angenommenen 15% Rabatt (analog Auris 2014) mit AHK, Überführung und Winterrädern sicher die 35.000€ knacken und damit fast 10.000€ über unserem Auris Executive liegen. Da frage ich mich: Wo sind die 10.000€ im Fahrzeug versteckt? Dafür bietet der Corolla auch als Lounge zu wenig. Würde ich auf das Glasdach verzichten und wahrscheinlich zum Club mit Technikpaket greifen, dann läge der Preis immer noch bei fast 31.000€. Auch das sind dann immer noch ~5000€ mehr als der Auris.
6:5 Punkt für den Auris obwohl es ihn nicht mehr neu gibt.
Verbrauch:
Dazu kann ich nicht wirklich was sagen, da ich nur bedingt darauf geachtet habe. Gefühlt aber im Bereich des Auris, was in Anbetracht der Mehrleistung i.O. ist.
Gleichstand: 7:6
Bedienung:
Ein schwieriges Thema: Wenn man das Model 3 mal gefahren ist findet man jedes andere Armaturenbrett überladen. Aber das ist nur subjektiv. Objektiv habe ich kein Verständnis für den Rückschritt zum Wählhebel und damit dem Entfall der Ein-Tasten-Bedienung beim Ausschalten des Wagens. Mal ganz davon abgesehen, dass der riesige Hebel Platz verschwendet. Den Tempomathebel vermisse ich auch, weil dadurch das Lenkrad nun noch mehr Tasten hat, was dem Durchblick nicht unbedingt gut tut. Dass die Taste für den Einparkassistent, immer noch nicht an eine gut einsehbare Stelle gerückt ist, ist im Alltag nicht praktisch.
Gut finde ich, dass man nun endlich die Scheiben per Fernbedienung herunterfahren kann. Das war längst überfällig.
Der Digitaltacho: Ich bleibe dabei, es ist enttäuschend was Toyota daraus gemacht hat. Die Größe des Displays wird einfach nicht genutzt. Der Zahlenkranz ist an einer Stelle festgenagelt. Stellt man auf digitale Geschwindigkeit um, verschwindet im Grund nur der Zahlenkranz und oben kommt die Geschwindigkeit hinzu. Der Rest bleibt wie er ist. Die Informationen in der Mitte hätte man auch in einem kleineren Display ala Audi und VW (vor Einführung Active Info Display) abbilden können. Nur den Zahlenkranz zu digitalisieren finde ich etwas dünn. Hier wäre mehr drin gewesen.
Die sonstige Bedienung ist Standard und OK.
7:7 Punkt für den Auris, allein schon wegen des Gangwahlhebels.
Fazit:
Gleichstand wie beim Model 3. Familientauglich ist der Corolla definitiv aber er bietet im Alltag nicht mehr als das, was man wegen der 6 Jahren Weiterentwicklung erwarten kann. Würde mich jetzt jemand nach dem Corolla befragen, der nach einem guten Kombi in der Kompaktklasse sucht, dann würde ich ihm den Corolla empfehlen. Der TS ist ein gutes Auto (vorallem, wenn man vom normalen Verbrenner kommt) und hat sich an vielen Stellen zum Auris TS verbessert. Für mich kommt der Corolla als Ersatz zum Auris derzeit nicht in Frage. Ohne Android Auto und vorallem zu diesen saftigen Preisen ist er einfach kein wirklicher Zugewinn zum Auris. Habe ich im Model 3 Text noch von 15k€ Unterschied geschrieben, nähert sich der Unterschied nun langsam den 10k€. Mal schaun was da in den nächsten 2-3 Jahren noch passiert. Noch dazu ist er perspektivisch nicht für eine 4köpfige Familie ohne Einschränkungen geeignet.
Und das Schlusswort: Warum hat selbst der Lounge noch Glühobst in den Deckenleuchten aber im Kofferraum LED Leisten? Manche Sachen ändern sich bei Toyota nie, das macht es fast schon wieder sympatisch.
Bilder habe ich nicht sehr viele gemacht, die Zeit zur Rückgabe drängte. Wenn jemanden die Platzverhältnisse auf dem Beifahrersitz mit installierten MaxiCosi interessieren, dann melden. Der Rest sollte hier eh bekannt sein.
Auf der Probefahrtliste steht nun noch der Kia eNiro.
Edit: Kleinere Fehler behoben.