Heute bin ich unterwegs in einem fast neuen
Nissan Juke Hybrid. Das ist ein eher auf modisch-sportlich getrimmtes Fahrzeug. "Mein" Exemplar ist in einem sehr schönen kräftigen Blauton lackiert. Kein E-Kennzeichen, weil kein Plugin-Hybrid.
Der Juke, bestens bekannt aus einer omnipräsenten TV-Werbekampagne, ist innen zwar arg verbaut, doch zumindest auf den Vordersitzen ist genug Platz. Ziemlich kleiner Kofferraum, aber immerhin mit einem niedrigen Kellerfach über die gesamte Fläche.
Das größere Handschuhfach befindet sich vor dem Beifahrer.
Na gut, das war eine Übertreibung.
Arg wenig Knie- und Kopffreiheit hinten und eine viel zu tief montierte Rückbank, auf der man sitzt wie der Affe auf dem Schleifstein.
Der Innenraum ist wie heute üblich eine dunkle grauschwarze Plastikwüste in gewollt futuristischer Ausformung. Immerhin sind die Vordersitze deutlich bequemer, als sie aussehen. Ich habe eine Figur wie der Hulk und trotzdem auf Anhieb eine gute Sitzposition gefunden.
Fahrwerk und Federung sowie die vernünftige Bereifung bilden eine agile, nicht unkomfortable Mischung. Ich halte die Abstimmung für gelungen, außerdem ist die Fuhre insgesamt recht wendig. Die Übersicht ist wegen der heute so modischen kleinen Fensterflächen bestenfalls mittelprächtig, wobei ich in diesem Punkt von meinem eigenen Auto nicht gerade verwöhnt bin.
Die Bedienung wirft keine Fragen auf. Alles ist ungefähr dort, wo man es erwartet. Ein bisschen zu verstreut vielleicht, aber das hat man schnell raus. Für häufig benutzte Funktionen gibt es Tasten und Lenkradtasten (Danke Nissan!), weniger gebräuchliches findet sich in Menüs und Untermenüs.
Deren Struktur ist Hersteller-spezifisch, aber nicht schwer zu durchschauen. Wobei die Menüstruktur auf dem aufgesetzten Mitteldisplay (Touch) viel einfacher zu überblicken ist als die Menüs auf dem kleinen Display vor dem Fahrer, die mit verschiedenen Lenkradtasten nach rechts/links/oben/unten durchgeschaltet werden.
Das Infotainment-System nebst Navi ist OK. Nicht superschnell, nicht ehrfurchtgebietend umfangreich, aber durchaus alltagstauglich. Alles was man so braucht ist vorhanden und funktioniert, die Bedienung ist weitgehend intuitiv. Insgesamt gut gemacht.
So weit, so schick.
Und wie fährt sich das nun?
Bevor ich darauf eingehe, schauen wir uns zunächst die ungewöhnliche komplexe Technik des Nissan-/Renault-/Daciaschen Hybrid-Systems an, sonst würde sich meine Schilderung für HSD-Gewohnte ein bisschen merkwürdig lesen. Es handelt sich nämlich um einen
Multimode-Hybriden. Das heißt, dass er je nach Lastanforderung
seriell, parallel oder leistungsverzweigt arbeitet.
Als Antriebsquelle dient ein Benziner, und zwar ein 1,6-Liter Vierzylinder mit 70 kW (95 PS). An Bord sind außerdem ein 15 kW (20 PS) starker Startergenerator, eine 37 kW (50 PS) starke E-Maschine sowie ein kleiner Akku mit 1,2 Kilowattstunden Kapazität. Der Verbrenner ist mit einem Viergang-Automatikgetriebe gekoppelt, die E-Maschine mit einem Zweigang-Getriebe. Der Übersichtlichkeit wegen noch einmal:
- Verbrenner: 70 kW (95 PS), vier Gänge/Übersetzungen
- E-Motor: 37 kW (50 PS), zwei Gänge/Übersetzungen
- Startergenerator: 15 kW (20 PS)
Je nach Leistungsanforderung wechselt der Antrieb beim Fahren zwischen den verschiedenen Hybrid-Modi (bitte nicht verwechseln mit den fahrerseitig wählbaren Fahrmodi!) vollautomatisch hin und her, setzt die Komponenten entsprechend ein, schaltet die vier Gänge des Verbrenners und die zwei der E-Maschine hoch und runter.
Als E-Auto-gewohnter Fahrer habe ich permanent das Gefühl, dass sich im Bauch des Autos ungewöhnlich viel bewegt - und zwar fast ständig. Der weiche Wechsel der Fahrstufen ist gar nicht wirklich störend, aber eben spürbar. Ein per Taste aufrufbarer EV-Modus ist vorhanden, wird aber nur unter idealen Bedingungen und warmem Verbrenner akzeptiert.
Die Drehzahl des Verbrenners und dessen Zu-/Abschalten erscheint oft willkürlich, was es sicher nicht ist. Dennoch wird man nicht selten überrascht, weil man in der jeweiligen Situation einfach etwas anderes erwartet hat: Da dreht der Verbrenner plötzlich einige Sekunden stark hoch, wofür man keinen Grund erkennen kann. An einer starken Steigung bleibt er hingegen aus, weshalb der Akku sehr schnell leergesaugt wird.
Weil der SOC des kleinen 1,2 kWh-Akkuleins auf einem Zeigerinstrument (im Bild unten links) dargestellt ist, sieht man immer, wieviel Saft noch im Akku ist. Wegen der kleinen Akkukapazität bewegt sich dieser Zeiger bei Lastanforderung sichtbar und schnell abwärts und bei Rekuperation wieder zügig aufwärts, beim Nachladen durch den Verbrenner etwas weniger zügig.
Also, es ist richtig was los beim Fahren, egal wo und wie. Auffallend ist, dass der rein elektrische Antritt in Relation zur nominellen Leistung unerwartet kräftig ist. Der EV-Mode fühlt sich mehr nach 150 als nach 50 PS an. Das liegt vermutlich an der sehr kurzen Übersetzung der ersten Stufe des Zweigang-Getriebes.
Wobei rein elektrisch schon bei relativ niedriger Geschwindigkeit schnell wieder Schluss ist. Was nicht heißt, dass auf der Autobahn ständig der Verbrenner laufen muss. Ist das leistungsmäßig nicht nötig, wird er zumindest vom Antrieb freigestellt, überschüssig erzeugte Energie landet im Akku.
Dieses Hybrid-Systems ist technisch schon sehr aufwendig. Anzuerkennen ist, dass der Fahrer davon zwar nicht nichts, aber doch weniger mitbekommt, als man vielleicht vermuten möchte. Über das ungewohnte, aber nicht unangenehme Fahrgefühl kann ich mich nicht beschweren. Doch das Resultat von all diesem Aufwand ist hinsichtlich der Verbrauchs eher Mäh.
Und: Dieser schöne blaue Juke ist fast nagelneu, riecht auch so und der gesamte Antrieb wirkt sehr geschmeidig. Was noch niemand weiß ist, wie sich das bei sechsstelligem Kilometerstand anfühlen wird.
Nicht mein Auto. Aber einen schlechten Eindruck hat er insgesamt nicht hinterlassen. Es gibt sicher nicht wenige (junge?) Fahrer, die mit so einem Juke ihre Freude haben werden.
Grüße, Egon