Ich hatte vorgestern Gelegenheit, eine kurze Runde mit einem Vorserien-Modell
des aufgebretzelten Auris Hybrid des CT 200h zu drehen. Damit niemand seitenweise Blah lesen muss, der sich nicht für die Details interessiert,
hier vorab mein Résumé:
- Fahrzeugbasis ist ein Auris, kein Prius. Der Auris ist kleiner, also ist auch der CT 200h kleiner. Wem der Prius schon zu klein ist, der braucht sich den CT 200h erst gar nicht anschauen.
- Die Preise beginnen bei 29.000 und enden bei 45.000 Euro. Klar ist das teuer, aber ich gebe zu bedenken, dass die Ausstattung dann schon ziemlich üppig ist und auch ein Prius in Vollausstattung bei 39.500 (!) liegt. Für um die 32, 33.000 Euro bekommt man beim CT schon sehr viel Auto.
- Die Toyota-typischen Liefer-Restriktionen sind hier fast auf die Spitze getrieben. Wer beispielsweise ein Schiebedach will, muss die höchste Ausstattungsvariante nehmen. Die heisst
"Impression" und kostet schlappe 10.120 Euro
Aufpreis (kein Scherz, kein Vertipper). Da ist natürlich noch vieeel mehr Zeug drin enthalten, elektrische Ledersitze und ein ACC mit PCS und die ML-Anlage und Navi und DVD-Wechsler und Tod und Teufel. Wer aber einfach nur ein Schiebedach will, hat Pech gehabt: 10.120 Euro. Und Nein, es ist kein Solardach.
- Die Antriebstechnik von Auris h und Prius III kommt zum Einsatz, mit denselben technischen Eckdaten. Das Fahrwerk ist einen Tick mehr auf Sportlichkeit getrimmt, die Lenkung etwas direkter und die Dämmung deutlich besser. Grosse Überraschungen in Form signifikanter Unterschiede hält der CT für einen Prius-Piloten aber nicht bereit.
- Der Innenraum ist vom Material her um Klassen besser als der eines Prius III. Ob das derart viel Geld wert ist, muss jeder selbst wissen.
Mir persönlich hat das Auto gut gefallen, und ich werde nicht der Einzige sein. Für etwas über 30.000 Euro bekommt man schon ein sehr gut ausgestattetes Fahrzeug mit innovativer Antriebstechnik und hochwertiger Qualitätsanmutung. Alles in allem aber fürchte ich, dass die Zielgruppe unterm Strich doch eher klein ist.
Nun zum Detailbericht:
Die Präsentations-Abendveranstaltung fand in angemessenem Rahmen und entspannter Atmosphäre statt. Die sehr engagierte und souverän wirkende Lexus-Mitarbeiterin gab sich alle Mühe, den Anwesenden den Eindruck zu vermitteln, dass man sich auf einer Veranstaltung für handverlesene VIPs befindet. Das war natürlich ziemlicher Unfug, aber das Vermitteln von Exklusivität gehört nun mal zum Anspruch dieses Toyota-Ablegers.
Der abgedeckte CT 200h in der Mitte des Raumes wurde ohne angemessene Fanfare mit einer wenig dramatischen Bewegung enthüllt. In ihrem anschliessenden 20-Minuten-Vortrag versuchte die junge Dame, die Vermarktungsstrategie für den Endkunden in Worte zu fassen. Das hat sie handwerklich prima gemacht, aber ich hege doch erhebliche Zweifel daran, dass diese Strategie aufgeht oder in dem Masse erfolgreich sein wird, wie man sich das bei Lexus Deutschland verständlicherweise wünscht.
Vermarktet wird der Kleine nämlich als sportlich-dynamischer Premium-Kompakter, und gleichwohl ich der Meinung bin, dass er mit 136 PS ausreichend motorisiert ist -
spochtlich ist bei dieser Motorisierung einfach die falsche Marketing-Ausrichtung. Da hätte man besser einen auf Komfort machen sollen, oder auf Ökonomie. Das Spritsparpotenzial und die niedrigen Emissionen sind konkurrenzlos, innerhalb der Marke sowieso - aber sportlich-dynamisch? Ich halte das konzeptionell für den falschen Ansatz.
Die Dame vom Marketing hat dann versucht, den CT 200h anhand einiger prägnanter Einzelpunkte zu charakterisieren. Die Auswahl dieser Punkte fand ich schon einigermassen rührend. Im Kopf geblieben sind mir
- …der Aussenspiegel, dessen Design sich an den Spiegeln des Supersportlers Lexus LF-A anlehnt (ich war tief beeindruckt).
- …die Gurtstraffer, die es auch hinten gibt. Wahnsinn.
- …die 17-Zoll-Felgen, die dem Auto in höheren Ausstattungvarianten ein irre dynamisches Aussehen verleihen sollen (und es knackig hart machen, nebenbei bemerkt).
- ...die Existenz des dritten Dreipunkt-Gurtes auf der Rückbank, der bei den Mitbewerbern nur als aufpreispflichtiges Extra erhältlich sei.
- - …und natürlich die ACC, also der Radar-Tempomat, der aber nur in der höchsten Ausstattungsvariante fütr 44.500 Euro verfügbar ist. Das kam allerdings nicht zur Sprache, warum nur...
Die restlichen Punkte sind mir leider entfallen. Es waren aber, vielleicht mit Ausnahme der in dieser Fahrzeugklasse zusammen mit dem P III tatsächlich einzigartigen LED-Scheinwerfer, allesamt Punkte vergleichbar niedriger Dramatik.
Irgendwann ist auch die schönste Präsentation einmal zu Ende, und so wurde das derart hochgepeitschte Publikum auf den unschuldigen belgischen Vorserien-CT losgelassen. Aus Gründen, die sich einem Normalsterblichen nicht erschliessen, hat man sich ausgerechnet für zwei Fahrzeuge der Ausstattungslinie
"Dynamic Line" entschieden, also ohne die Mark Levinson-Anlage und ohne ACC. Der Wagen in der Halle war Grau mit schwarzen Veloursitzen und roten Sitzbahnen / roten Tür-Innenverkleidungen - das nennt sich mutigerweise
"Passion". Das zweite Fahrzeug stand für Probefahrten bereit und war mit Leder
"Seidengrau" ausgestattet. Hier im Bild mit dem freundlichen Instrukteur:
Echte
"Passion" wollte bei mir weder für die eine noch für die andere Variante aufkommen, aber das ist Geschmackssache. Das
"Seidengrau" ist so hell, das könnte man auch als
"Leder Weiss" verkaufen - überhaupt nicht mein Ding. Die Veloursitze mit den roten Sitzbahnen haben dagegen was von einem Sitzbezug von Auto-Teile Unger. Schade eigentlich, denn das Material fühlt sich toll an und man sitzt auch so. Die Veloursitze gibt es auch in Schwarz, Beige und Braun ohne andersfarbige Sitzbahnen; das Leder auch in Schwarz und Beige.
Das Nachtdesign, die Innenbeleuchtung und die LED-Scheinwerfer haben soweit gepasst. Insbesondere der vordere Fussraum ist sehr schön beleuchtet, gedimmt auch während der Fahrt. Verzichtet hat man leider auf eine Illuminierung der Türgriffe. Der gesamte hintere Bereich wird lediglich von einer in der Deckenmitte angebrachten Lampe ausgeleuchtet, also nicht wirklich. Nicht nur deswegen manifestierte sich der Eindruck, dass der Fokus bei diesem Wagen eindeutig auf den Frontsitzen liegt.
Negativ aufgefallen sind mir eine ganze Reihe von Punkten, wobei das meiste auch in meinen Augen unwichtige Details sind. Nur halt ziemlich viele davon...
Eine Auswahl, aus dem Gedächtnis und sicher nicht vollständig:
- Die Raumausnutzung ist bestenfalls so lala. Sitzen vorne zwei grosse Erwachsene, wird es hinten sogar für Kinder sehr eng.
- Dabei ist vorne auch nicht sooo übermässig viel Platz: Ausreichend und durchaus bequem, ja, aber eher BMW-like, also sportlich eng. Der Eindruck wird durch die verhältnismässig breite Mittelkonsole noch verstärkt. Der CT 200h basiert nun mal auf dem Auris, und der Auris ist 20 Zentimeter kürzer als ein Prius. Einen Größenvergleich gegen den Prius wird er immer nur verlieren können, aber Größe ist ja bekanntlich nicht alles.
- Viel hochwertige Materialien sind verbaut, gar kein Vergleich zur Plastikwüste in einem Prius. Trotzdem findet sich auch im CT immer noch unerfreulich viel Plastik von der preisgünstigen Sorte. Insbesondere der Dachhimmel aus einer Art abwaschbarem, unansehnlichem grauem Plastik ist der Preisklasse des Fahrzeugs nicht angemessen.
- Die Lederpolster und -verkleidungen in den Vordertüren hatten (bei Kilometerstand 25.000) schon sichtbar gelitten. OK, das kann man auf die extremen Einsatzbedingungen des Vorserien-Vorführwagens zurückführen: Alle paar Kilometer ein anderer Fahrer, ständig nur rein/raus, das lässt jedes Auto in Zeitraffer altern. Aber eigentlich sollten die Sitze und auch einige andere Teile trotzdem noch nicht so fertig aussehen, wie das der Fall war.
- Dasselbe gilt für den Kofferraumfilz, der war schlicht am Ende.
- Der Kofferraum ist nicht gross und vor allem nicht hoch. Natürlich ist das eine Frage des Vergleichs-Massstabs - kommt man vom Aygo, ist er riesig. Kommt man aber vom Prius, ist er winzig. Daran ändert auch das gut nutzbare 50-Liter-Fach unter der qualitativ nur mässigen Abdeckung wenig.
- Bei Lederausstattung ist auch die Rückbank mit dem hochwertigen, weichen und komplett durchgefärbten Leder bezogen, das Toyota in allen Lexus-Fahrzeuge verbaut. Trotzdem wirkt sie irgendwie poplig: Nicht vernünftig konturiert, wie ein Fremdkörper hängt sie da hinten drin. Das kann man oben auf dem Bild, wo es eigentlich um den kleinen Knieraum für die Fondpassagiere ging, recht gut erkennen.
- Grau in Grau mit Grau ist nicht besonders farbig. Anders als bei anderen Lexus-Modellen ist der ganze Plastik- und Teppichkram auch dann grau, wenn man innen Beige oder Schwarz oder Braun oder Rot bestellt. Das reissen dann auch die mit der Typenbezeichnung bestickten Fussmatten nicht raus.
- Der Verstellbereich des Lenkrads ist für Leute mit meiner Statur schon an der Grenze. Ich musste es ganz nach oben an den Anschlag stellen, damit mir der Kranz nicht im Weg ist. Wäre ich noch 5 Zentimeter größer, wäre das ein echtes Problem.
Dann gibt es aber natürlich auch
zahlreiche Details, die mir wirklich gut gefallen haben:
- Die Dämmung ist prima, die Maschine leise, deutlich leiser als im Prius III und im Auris Hybrid. Laut wird es eigentlich nur, wenn man sie richtig tritt, aber es hält sich auch dann in Grenzen. Für diese Fahrzeugklasse sehr respektabel.
- Die Serien-Panasonic-Anlage (6 Lautsprecher) klingt überraschend gut. Die aufpreispflichtige Mark Levinson (11 Lautsprecher) sicher noch besser, aber das konnte ich nicht ausprobieren: Für sich alleine betrachtet ist die Panasonic schon ganz OK.
- Mit umgelegten Rückenlehnen entsteht ein fast Ikea-tauglicher Innenraum. Nur die Höhe wird da nicht mitspielen. Unter der Abdeckung hinten ist ein gut nutzbarer zusätzlicher Gepäckraum (schätzungsweise 50 Liter) verborgen.
- Die Armaturen gefallen mir, tags wie nachts. Schaut richtig gut aus, auch wenn man über die rote Beleuchtung beim Anwählen des Sportmodus geteilter Meinung sein kann.
- Das Nachtdesign der Mittelkonsole ist hübsch, auch wenn ich nicht verstehe, warum alles Grün ist, das große Klima-Display aber Hellgrau beleuchtet mit schwarzem LCD.
- Sehr schön: Der freiwillige EV hat eine separate Kontroll-Leuchte bekommen! Ich vermute, dass man das gemacht hat, weil man ja einen Drehzahlmesser einblenden kann. Für Fahrer ohne Hybrid-Erfahrung mag es befremdlich wirken, wenn der Drehzahlmesser beim Fahren ab und zu auf Null absackt. Da beruhigt die passende grüne EV-Leuchte direkt neben dem Drehzahlmesser doch sehr. Für den händisch aktivierten EV-Modus gibt es natürlich ein zweites Lämpchen.
- Der Drehzahlmesser lässt sich auch bei aktiviertem Tempomat einblenden, weil der Modus-Wechsel auch dann funktioniert (der Drehzahlmesser blendet sich immer im "Sport"-Modus ein, gleichzeitig verschwindet der Powermeter)
- Zu den Fahreigenschaften: Mit den 17-Zöllern knackig-hart, guter Anzug, sehr guter Durchzug. Fühlt sich eher nach 150 PS an, aber das ist hybrid-typisch. Kein Rennwagen, aber es geht zügig voran, wie im Prius/Auris h. Die Lenkung erschien mir überraschend direkt. Alles in allem ein schönes Fahrgefühl.
- Am Ende meiner 20-Minuten-Probefahrt hatte ich einen Bordcomputer-Verbrauch von 4,6 Liter/100 km herausgefahren, bei Aussentemperaturen von Minus 3 Grad. Ein guter Wert! Der Gesamtschnitt von Dutzenden von Kurzzeit-Probefahrern seit dem letzten Tanken - Tank war halb leer - lag bei 6.8. Für einen Vorführer unter diesen Umständen ebenfalls ein guter Wert.
Soweit meine subjektiven Eindrücke. Mir hat er trotz vieler kleiner Kritikpunkte gefallen; das Fahren im CT 200h hat Spass gemacht. In meinen Augen ein schönes, komfortables und technisch ansprechendes Auto für Zwei mit - gegenüber dem grösseren Prius - nur leicht eingeschränkter Familientauglichkeit.
Grüße, Egon