Hallo zusammen,
in meinem Fahrbericht zum Toyota Auris II 1.6 Valvematic Start-Edition hatte ich angekündigt, auch eine Probefahrt mit dem Auris II HSD zu unternehmen und einen für das Forum sicherlich interessanteren Fahrbericht dazu nachzuliefern. Da mein Händler sein Winterreifenkontingent bereits erreicht hatte, wurde jedoch leider kein Auris II HSD zur Probefahrt freigegeben. Aufgrund der gestern in NRW relativ eisfreien Wetterverhältnisse, war es mir aber endlich möglich den Auris II HSD zu testen.
Der Probefahrtwagen war ein schneeweißer Auris II HSD in der Start-Edition. Immer wieder muss ich sagen, dass ich das Außendesign des neuen Auris sehr gelungen finde. Der Wagen sieht bullig und sportlich aus, ohne dabei unelegant zu wirken. Und auch wenn das Design hier und da an andere Fahrzeugmarken erinnert (Scheinwerfer: Honda Civic, Kühlergrill: Nissan Almera, Seitenansicht: Mazda 3, Heckleuchten: Mischung aus Mitsubishi ASX und Hyundai i30), so hat man hier zumindest die asiatische Identität gewahrt.
Etwas Chrom am vorderen Stoßfänger und um die Nebelscheinwerfer herum sowie die hochglänzenden B-Säulen, lassen den Wagen zudem edel wirken. Sehr schön integriert ist das LED-Tagfahrtlicht.
Nach dem Öffnen der Tür fällt mir auf, dass der Schweller gänzlich nackt und ungeschützt ist. Hier orientiert sich Toyota leider an den deutschen Herstellern und überlässt den Schutz der Türschweller dem Zubehörprogramm.
Einmal Platz genommen, bestätigt sich einmal mehr der Eindruck, den ich bereits beim ersten Probesitzen im neuen Auris hatte und der sich leider auch nicht relativiert. Der Innenraum wirkt deutlich enger im Vergleich zum Auris I und ist es – entgegen den Pressemitteilungen von Toyota- auch. Die Kopffreiheit reicht für großgewachsene Fahrer nicht mehr aus und die Einstellbereiche von Sitzen und Lenkrad sind ein schlechter Scherz.
Für meine gerade mal 1,78m Körpergröße sind die Platzverhältnisse und Einstellmöglichkeiten zwar ausreichend, eine dauerhaft bequeme Sitzposition finde ich aber trotzdem kaum. Das liegt daran, dass das Lenkrad, selbst wenn die Lenksäule komplett herausgezogen ist (wir reden über einen gefühlten Verstellbereich von 5cm), nur mit ausgestreckten Armen zu erreichen ist. Somit muss ich um das Lenkrad gut erreichen zu können, weiter mit dem Sitz nach vorne rücken, als mir lieb ist.
Die Sitze selbst sind bequem und die Armauflage der Mittelkonsole befindet sich in der richtigen Höhe. Die elektrische Lendenwirbelstütze war beim Testwagen jedoch leider bereits defekt. Bei meinem ersten Auris II-Testwagen funktionierten dafür die Leselampen im Dachhimmel nicht.
Eigentlich verwunderlich, da die Verarbeitung ansonsten sehr solide wirkt. Nichts klappert oder knistert und alle Passungen sind eng und gerade.
Wie gewohnt drücke ich also den Startknopf und bin verwundert. Im Prius III ist der Verbrennungsmotor nach dem Kaltstart deutlich zu vernehmen und klingt mit seinem rauen Klang auch nicht gerade angenehm. Im neuen Auris ist nur noch ein leises Säuseln zu vernehmen. Ganz offensichtlich hat man in eine ordentliche Dämmung investiert.
Unangenehm fallen mir direkt die viel zu tiefe Anordnung des Fahrstufen-Joysticks sowie der Klimabedieneinheit auf. Hier scheint man sich ebenfalls an den deutschen Herstellern zu orientieren, die diese Bedienelemente gerne mal in Fußraumnähe anbringen. Das war beim ersten Auris HSD weitaus besser gelöst.
Die vielmals kritisierte Digitaluhr wirkt in der Tat billig, deplatziert und ist so weit rechts angebracht, dass sie sich dem direkten Blickfeld des Fahrers entzieht. Trotzdem bringe ich ihr eine gewisse Sympathie entgegen, da im ansonsten sehr auf europäische Bedürfnisse angepassten Innenraum, wenigstens eine typisch japanische Schrulligkeit erhalten blieb.
Einmal in Fahrt offenbaren sich große Unterschiede zum Prius III. Abrollgeräusche sind praktisch nicht zu hören, der Verbrennungsmotor tritt akustisch kaum in Erscheinung. Das Zusammenspiel der Antriebskomponenten scheint nochmals verbessert worden zu sein und das Leuchten der EV-Leuchte macht regelmäßig darauf aufmerksam, dass man rein elektrisch unterwegs ist. Gefühlt ist dies häufiger der Fall, als bei den früheren Toyota-Hybriden. Wobei mir dies auch beim Yaris HSD schon aufgefallen ist.
Bedingt durch die gute Dämmung und eine optimierte Getriebesteuerung, klingt der Motor auch bei voller Beschleunigung deutlich angenehmer als bspw. beim Prius III.
Sobald die Energieanzeige in den Power-Bereich gelangt, verfärbt sich der sonst blaue Zeiger übrigens rot. Das sieht sehr interessant aus. Ohnehin machen die ständig blau hinterleuchteten Instrumente und Zeiger optisch etwas her.
Das grobpixelige Informationsdisplay (laut Toyota-Pressemappe hochauflösend) passt jedoch leider absolut nicht dazu.
Sehr schön ist auch das Touch-System, welches die Energieflüsse optisch gelungen darstellt, ebenso wie die Verbrauchshistorie. Das integrierte Radio hat endlich einen guten Empfang und eine gute Klangqualität zu bieten. Das im Testwagen verbaute Navigationssystem überzeugte durch einfache Bedienung und zielsichere Routenführung. Die Kartendarstellung könnte übrigens etwas hochauflösender sein. An der männlichen Stimme störe ich mich zudem nicht.
Die Optik des Armaturenbretts insgesamt sagt mir nicht zu. Es baut sich senkrecht wie eine Wand vor einem auf und irgendwie wirkt es zusammengestückelt und optisch unharmonisch. Positiv finde ich jedoch die optisch und haptisch ansprechenden Materialien. Im Gegensatz zur deutschen „Fachpresse“, die auch dem neuen Auris ein tristes Hartplastik-Interieur bescheinigen (haben die jemals in einem Auris II gesessen?), sehe ich den neuen Auris in diesem Punkt in seinem Segment weit vorne.
Die kleinen Sehschlitze rundum lassen zudem ein beengtes Raumgefühl aufkommen. Dahingehend fühle ich mich in meinem Prius III wesentlich wohler. Auch der Auris I konnte dahingehend weit mehr überzeugen. Dies ist leider ein Tribut an die sportliche Bauform. Ebenso wie der unbequem tiefe Zu- und Ausstieg.
Nervig ist auch der viel zu kleine Heckwischer, der auch beim Urban Cruiser (welchen ich ja als Zweitwagen fahre) und beim Lexus CT zum Einsatz kommt.
Immerhin ist die Rückfahrkamera mit Hilfslinien praktisch. Das SIPA konnte ich leider nicht testen.
Bei der Fahrt über schlechte Straßen fällt auf, dass der Auris HSD abermals wesentlich straffer als der normale Auris abgestimmt ist. Der Auris II 1.6 Valvematic hatte mich in Sachen Federungskomfort sehr überzeugt. Fast sänftenartig hat er jede Unebenheit weggebügelt. Der Auris HSD stolpert jedoch straff und unbeholfen in jedes Schlagloch, was sich ihm bietet. Glücklicherweise dringen Fahrwerksgeräusche jedoch nur sehr leise in den Innenraum.
Verbessert wurde zudem die Bremsanlage. Mit dem Prius III kann man kaum ruckfrei anhalten, seit dem Auris I HSD ist dies jedoch möglich. Der Auris II HSD setzt diese Tradition glücklicherweise fort.
Erstmals als angenehm empfand ich die Blinker-Antipp-Funktion. Bislang fand ich die immer nervig, weil man sich bei vielen Fahrzeugmodellen unfreiwillig bei anderen Autofahrern „bedankt“ hat. Sprich: Bei manuellem Ausschalten des Blinkers hat man oft schon den Kontakt der Gegenseite erwischt und dann blinkte es dreimal in die entgegensetzte Richtung. Toyota ist es gelungen die neuen Lenkstockhebel (die ich optisch und haptisch gelungen finde) so zu konstruieren, dass dieses Phänomen nicht auftritt.
Ansonsten wird hinsichtlich der Lenkstockhebel die japanische Tradition fortgeführt (dicke runde Hebel, Lichtschalter im Blinkerhebel, Scheibenwischerintervall mittels eines großen Drehrings verstellbar), was meiner Ansicht nach auch gut so ist.
Die BC-Bedienung über die Lenkradtasten erfolgt einfach und logisch.
Kurz zu den Verbrauchswerten: Als ich mit dem Wagen losgefahren bin, stand ein Wert von 13,1 Litern auf dem BC-Display. Der Wagen wurde aus einer anderen Filiale geholt und ich weiß wirklich nicht, wie das möglich ist. Nach dem Zurücksetzen des BC-Displays hat sich der Verbrauch auf 4,5 Liter eingependelt.
Was fällt sonst noch auf? Der Auris II ist eher ein 2 +2 –Sitzer als ein vollwertiges Auto für vier Erwachsene. Wenn der Sitz zurückgeschoben ist, können nicht mal mehr Kinder auf der Rückbank sitzen, da kein Knieraum mehr vorhanden ist. Arrangiert man sich mit dem Beifahrer, können zwei Erwachsene unbequem hintereinander sitzen. Hinter großgewachsenen Fahrern kann ebenfalls keiner mehr sitzen. Die Rückbank ist zudem viel zu niedrig angebracht. Hier befindet sich Toyota nun auf dem Niveau von Opel Astra und BMW 1er. Außen groß und innen winzig. Ein Trauerspiel, wenn ich bedenke wie bequem man mit vier Leuten im alten Auris sitzen konnte.
Praktisch ist die Tatsache, dass die Traktionsbatterie nun unter der Rückbank angebracht ist und der volle Kofferraum zu Verfügung steht. Der verstellbare Laderaumboden erweist sich zudem als praktisch.
Auch wenn die Innenraummaterialien nun insgesamt hochwertiger wirken und die Verarbeitung sehr solide, fällt doch eine extreme Rotstiftpolitik auf:
- Vormals wurden Getränke in aufwändig konstruierten Getränkehaltern vor den Lüftungsdüsen von der Klimaanlage gekühlt. Jetzt müssen zwei Löcher ohne Arretierung in der Mittelkonsole ausreichen.
- Auf ein asphärisches Spiegelglas auf der Fahrerseite wurde verzichtet.
- Nur der Fahrerfensterheber verfügt über eine Autofunktion und die Fensterheber sind unbeleuchtet. Diese Dinge bleiben dem Executive vorbehalten. Ein Rückschritt zum Vorgänger in der Facelift-Version.
- Die Schalter für die Sitzheizung sehen nach billiger Nachrüstlösung aus und es gibt nur zwei Einstellmöglichkeiten.
- Das obere Handschuhfach auf der Beifahrerseite wurde eingespart.
- Die billige Hartplastik der Mittelkonsole passt nicht zum ansonsten guten Qualitätseindruck.
Fazit: Der Fahreindruck ist sehr überzeugend. Toyota hat das geniale HSD nochmals besser abgestimmt und die bessere Dämmung bringt einen deutlichen Komfortgewinn. Zudem kann man dem leisen Antrieb nun noch lieber lauschen, da die solide Verarbeitung einen vor Klapper- und Knistergeräuschen bewahrt. Gleichwohl stört mich der sehr beengte und auf europäische Bedürfnisse ausgerichtete Innenraum. Als ich in meinem „Raumschiff“ Prius III wieder Platz genommen habe, erfreute ich mich am luftigen Raumgefühl, dem spacigen Armaturenbrett-Design, den Velourssitzen und den Digitalanzeigen. Die schlechte Dämmung und einige Störgeräusche wurden zur Nebensache. Das ist natürlich auch alles eine Geschmacksfrage und ich bin mit meiner Vorliebe für an europäische Bedürfnisse überhaupt nicht angepasste, typisch japanische, Fahrzeuge sicherlich eine Ausnahme. Aber diese Individualität genieße ich auch. Ich möchte nicht zu den grauen 08/15-Menschen zählen, die auf dem Supermarkt-Parkplatz ihren Golf unter hunderten nur anhand des Kennzeichens identifizieren können.
Die nachfolgenden Bilder habe ich per Photoshop bearbeitet. Kennzeichen und Werbeaufkleber des Autohauses auf den Vordertüren habe ich entfernt.