Die Reifenfrage
tldr: 17“ und direkte RDKS sind ein teures Vergnügen. 15“ bieten z.T. deutliche Vorteile bei Kosten, Komfort und Verbrauch.
Ich habe den Wechsel auf Sommerbereifung beim P3 zum Anlass genommen über die Reifenfrage beim nächsten Fahrzeugwechsel (P4?) nachzudenken.
Derzeit bewege ich den P3 - Solardach bedingt - auf 15“. Ich besitze zwei komplette Radsätze für Sommer und Winter, mache den Wechsel selber und kann den zweiten Radsatz problemlos in der Garage lagern. Das kann ich alles auch zukünftig so halten. Oder aber alles anders machen.
Folgende Faktoren spielen für meine Überlegungen eine Rolle:
Das Reifenformat, hier konkret Vor- u. Nachteile der angebotenen 15“ vs 17“
Reifendruckkontrollsystem (RDKS)
Ein oder zwei Radsätze, sprich Ganzjahresreifen vs Sommer- u. Winterreifen
Das Reifenformat: 195/65/R15 vs 215/45/R17
Optik
Die offerierten 17“ Felgen sehen gut aus am P4. Optisch gefallen sie mir besser als die 15“ Felgen mit der Kunststoffabdeckung.
Das gesamte Rad, also Reifen + Felge finde ich in 17“ nicht deutlich besser als in 15“ - wenn ich mir das mal mit der gleichen Felge vorstelle. Die Räder sind gleich groß, nur Felgendurchmesser und Flankenhöhe der Reifen unterscheiden sich.
> Leichter Vorteil 17“
Bremsweg und Querdynamik
Hier haben die breiteren 17“ mit der niedrigeren Flanke klare Vorteile.
Trotz dieser Klarheit stellt sich die Frage, wie erheblich das für mich ist. Die Vorteile in der Querdynamik benötige ich beim Kurvenfahren nicht. Ich schöpfe derzeit noch nicht mal das Potenzial der 15“ fahrerisch aus. Es bleiben Manöver in Notsituationen, bei denen auch das ESP Nachteile des Reifens bestenfalls teilweise ausgleicht. Die physikalische Grenze setzt der Reifen.
Auch der etwas kürzere Bremsweg betrifft den Notfall, nicht den Alltagsbetrieb.
> Vorteil 17“ in Notsituationen, keine Vorteile im Alltag
Fahrwiderstand, Verbrauch
Der P4 mit 17“ ist mit 0,3 Liter Mehrverbrauch angegeben als mit 15“. Das sind sagenhafte 10% Mehrverbrauch für nur 20 mm breitere Reifen. Ich frage mich, ob das realistisch ist. Der Rollwiderstand beträgt ca. 20% am Gesamtwiderstand den ein Fahrzeug mit der Motorkraft überwinden muss. Hinzu kommt aber noch der erhöhte Luftwiderstand welcher mit dem Quadrat der Geschwindigkeit zunimmt. Laut Goodyear steigt der Luftwiderstand um gut 6% beim Tausch von 195/65/15 gegen 215/45/17 (
www.faz.net/aktuell/technik-motor/auto-v...reifen-14143873.html) .
Die 10% Mehrverbrauch kommen mir immer noch viel vor, könnten aber plausibel sein.
Klar ist aber, dass die schmaleren 15“ einen geringeren Verbrauch als die 17“ zur Folge haben.Vermutlich sind die 15“ auch etwas leichter.
> Vorteil 15“
Komfort
Bei einem Querschnitt von 215/45 ist nicht mehr viel zum Federn da. Das sieht bei der Dimension 195/65 anders aus, die sind spürbar komfortabler.
> Vorteil 15“
Reifenkosten
Ich mache eine Stichprobe bei „reifendiscount.de“
Sommerreifen 17“ ContiEcoCotact 5FR 101,20 €
Sommerreifen 15“ ContiEcoCotact 5 51,35 €
Winterreifen 17“ ContiWinterContact TS850 (91T) 142,44 €
Winterreifen 15“ ContiWinterContact TS850 PXL (91V) 53,95 €
GJR 17“
Vredestein Quatrac 5 XL 111,00 €
Hankook Kinergy 4S H740 XL 95,85 €
(Michelin CrossClimate ca. 140 €)
GJR 15“
Goodyear Vector 4 Seasons Gen-2 61,05 €
Michelin CrossClimate 62,55 €
GJR in 215/45/R17 werden nur von wenigen Herstellern angeboten. Michelin möchte offenbar für die nächste Saison dieses Format aber auch anbieten. Der Markt für GJR wird offenbar größer, vermutlich auch aufgrund der Reifendruckkontrollsysteme.
Ich habe für den Vergleich vornehmlich Conti gewählt. Strukturell ist das Ergebnis aber auf andere Marken übertragbar. Was mir noch auffiel: Bei 15“ werden auch Reifen mit niedrigerem Geschwindigkeitsindex (T) angeboten, bei 17“ sind es grundsätzlich höhere Klassen (V u. H).
> Deutlicher Vorteil 15“
RDKS
Die Betriebsanleitung des P4 erzählt mir auf S. 544: „Ihr Fahrzeug ist mit einem Reifendruckkontrollsystem ausgestattet, das mit- Hilfe von speziellen Ventilen und Sendern einen zu niedrigen Reifendruck erfasst …“
Der P4 ist laut BA mit einem direkten System ausgestattet, welches auf Sensoren direkt an bzw. in den Reifen basiert. D.h. ein Sensor pro Rad. Achtfache Bereifung bedeutet acht Sensoren.
Der RDKS-Sensor benötigt Strom. Den bekommt er aus einer im Sensor verbauten Batterie. Batterien haben ein begrenzte Lebensdauer, welche hier laut Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. (
rdks-wissen.de/faq/) mit ca. sechs Jahren veranschlagt wird. Weiter heißt es dort: „Ein Wechsel der Batterie wäre zu aufwendig und teuer, so dass nach sechs Jahren bzw. bei einer leeren Batterie die Sensoren getauscht werden müssen.“
Also: Batterie leer = Sensor in die Tonne. Super.
Wieviel kosten die Sensoren?
„Es gibt Sensoren der Fahrzeughersteller, die jeweils nur für ein Fahrzeug passen und frei programmierbare Sensoren, die an jedem Fahrzeug installiert werden können. Die Kosten für vier Sensoren betragen ca. 200 Euro“, so der Bundesverband (ohne Einbau). Andere Quellen (Autobild, AMS) nennen Kosten von 150,- bis 400,- €, jeweils plus Einbau.
> Ich halte fest: Direkte RDKS arbeiten technisch genauer als indirekte Systeme, sind aber auch mit mehr Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden. Herstellerunabhängige Systeme sollen ca. alle sechs Jahre ca. 200,- € pro Radsatz plus Einbau kosten. Evtl. entsteht weiter Aufwand beim Räderwechsel durch Wartung vorhandener und anlernen neuer Sensoren.
Bei meinem Fahrprofil benötige ich ca. alle 4-5 Jahre neue Sommer- u. Winterreifen. Die RDK-Sensoren sollten dann ebenfalls getauscht werden. Das müßte sonst zwischendurch mit extra Aufwand erledigt werden. Ich würde dann die begrenzte (Batterie-)Laufzeit der Sensoren vermutlich nicht mal ausschöpfen.
Auf jeden Reifensatz kommt ein Satz Sensoren obendrauf.
Es gibt einen extra Thread zum Thema
RDKSRDKS
Ein oder zwei Radsätze.
Oder: Ist die jüngste Generation von GJR eine Alternative?
Ein Radsatz macht nur mit GJR Sinn. Auf- und Abziehen von Reifen auf einen Felgensatz ist alleine schon aufwendig. Mit RDKS "müssen laut Herstellervorgaben Ventile und Gummidichtungen ersetzt werden, weil diese durch die Demontage beschädigt werden können" (rdks-wissen.de).
Vorteile sind die Ersparnis für einen Satz Felgen und Sensoren, letztere mit Folgekosten bei leerer Batterie. Entfall von zwei Radwechseln pro Jahr. Kein Einlagern des anderen Radsatzes.
Der Nachteil ist, das GJR als „Generalisten“ grundsätzlich schlechter - genauer gesagt weniger sicher sind - als Sommer- u. Winterreifen in ihren jeweiligen Spezialdisziplinen. Der Verbrauch dürfe gegenüber SR vermutlich etwas höher sein.
Die Kardinalfrage ist für mich damit:
- Ist die jüngste Generation der GJR, bspw. von Michelin und Goodyear, inzwischen eine vertretbare Alternative?
- Ist der Leistungsunterschied im Vergleich mit den Spezialisten für Sommer und Winter für mich tatsächlich entscheidend?
> Die Antwort ist noch offen
Betrachtung der Wirtschaftlichkeit
Hier spielen zwei Dinge eine Rolle: Das Reifenformat und die Anzahl der Reifensätze. Ich überschlage die Kosten für das klassische Modell mit SR und WR für 15" und 17" sowie alternativ 15" mit GJR. Dabei gehe ich vom Verschleiß von je zwei Reifensätzen für Sommer und Winter aus. Bei GJR lege ich die gleiche Summe der Reifensätze für Sommer u. Winter zugrunde.
Satz Sensoren inkl. Einbau = 300,- €
Wuchten und Montage pro Reifensatz = 60,-
Satz Alufelgen = 400,-
Reifenpreise siehe oben.
Kosten für Sensorwartung bei Reifenwechsel ohne Sensortausch ???
17" (Annahme Startbereifung P4; ab Comfort) = 3.020,- €
Radsatz Sommer:
1 x SR + 1 x Sensoren + 1 x Wuchten = 760,-
Radsatz Winter:
Felgen + 2 x WR + 2 x Sensoren + 2 x Wuchten = 2260,-
15" (Annahme Startbereifung P4; Basis) = 2.122,- €
Radsatz Sommer:
1 x SR + 1 x Sensoren + 1 x Wuchten = 570,-
Radsatz Winter:
Felgen + 2 x WR + 2 x Sensoren + 2 x Wuchten = 1.552,-
15" GJR (15“ Startbereifung Sommer; Basis) = 1.540 € + Sensorwartung
4 X GJR + 4 x Wuchten + 1 x Sensoren = 1.540
17“ GJR (17“ Startbereifung Sommer; ab Comfort) = 2.780 € + Sensorwartung
(Annahme: zukünftiger Michelin CrossClimate Stückpreis 140 €)
4 X GJR + 4 x Wuchten + 1 x Sensoren = 2.780,-
Die neuwertige Startbereifung kann bei Umrüstung auf GJR noch irgendwie in Ansatz gebracht werden.
Die Rechnung wird natürlich bei jedem etwas anders ausfallen, macht aber die Kostenstruktur deutlich.
Fazit
Die Reifenfrage ist komplexer als anfangs von mir angenommen. Da Optik letztlich Geschmacksache ist, bieten die 17“er objektiv nur Vorteile bei Bremsweg und Querdynamik also in punkto Sicherheit.
In allen anderen Belangen, also Fahrwiderstand/Verbrauch, Komfort und Kosten bietet das 15“-Format deutliche Vorteile.
Direkte RDKS erhöhen nicht nur die Sicherheit sondern auch die Kosten, und zwar erheblich.
Toyota D bietet den P4 bekanntlich mit den Reifengrößen 15“ und 17“ an, die allerdings fester Bestandteil eines Ausstattungspaketes sind. Abweichende Konfigurationen bzgl. der Pneus sind nicht vorgesehen. Da hätte ich als Kunde gerne die Wahl. Denn: Mir fehlt bei den derzeitigen 15" Reifen gefühlt nichts und ich würde einen P4 oberhalb der Basis wählen.
Man kann die Sachlage natürlich auch anders bewerten. Ich bin gespannt auf andere Meinungen.
lim
(less is more)