yarison schrieb:
Vielleicht können ein paar Erfahrene schreiben, was das pensioniertes Ehepaar hätte besser machen sollen.
Zunächst muss ich darauf hinweisen, dass ich erhebliche Zweifel an der Seriosität des Mediums respektive der Quelle hege. Dazu später mehr.
Dies zunächst außen vor gelassen ist die Frage berechtigt. Ich zitiere dazu einige Passagen aus dem Focus-Bericht; in meinen Anmerkungen sind dann Tipps enthalten.
Dabei hatten sich die beiden Reisenden gründlich vorbereitet.
Nein, offenkundig hatten sie das nicht.
Dabei ist das keine große Sache. Schon gar nicht auf der beschriebenen Route, die an mehreren Großstädten wie beispielsweise Lyon und Nimes vorbeiführt. Mehr als ein paar Minuten Vorbereitung muss man nicht investieren. Mit einem Tesla kann man sich selbst die noch schenken.
"VW We Charge" heißt die Ladekarte, die sie mitnahmen. [...] 150.000 öffentliche Ladepunkte wirbt VW. „Mit nur einer Karte in einem der größten Ladenetzwerke Europas laden“, lautet das Versprechen.
Sicher. So wahr Diesel sauber sind, Politiker ihren Amtseid leben und Nuß-Nougat-Creme ein gesundes Frühstück darstellt...
Wenn man sich auf einer langen Reise auf einen einzigen Roaming-Anbieter verlassen möchte, sollte man vorher wenigstens grob überprüfen, ob er entlang der Route / in der Zielregion ausreichend akzeptiert wird.
Ich habe 2 x 30 Sekunden gebraucht, um das für die Strecke Freiburg - Montpellier für meine beiden Roaming-Anbieter grob zu prüfen. Das Ergebnis tut hier nichts zur Sache, aber falls es jemand interessiert: Mit Maingau alleine wäre mir das zu lückig, mit EnBW hingegen kein Problem. Mit beiden an Bord müsste man sich schon arg dämlich anstellen, um in Ladenot zu geraten. Auch ohne Tesla.
„WeConnect ID“ heißt die eine und ist eine Art Betriebssystem für den Elektro-Golf
Diese App ist kein "Betriebssystem", das Auto kein Elektro-Golf, eine Rolle Klopapier an Bord wichtiger und der Satz somit überflüssig. Er sollte wohl nur unterstreichen, dass Familie Feuerstein bestens vorbereitet war.
„Chargemap“ nennt sich die andere. Sie ist eine Karte, in der ebenfalls die passenden Ladestationen für den funkelnagelneuen Golf verzeichnet sind.
Das passt schon eher, abgesehen davon dass es noch immer kein Golf ist. Auch hier gilt: Nicht blind allen Werbeversprechen vertrauen, nicht auf einen einzigen Roaming-Anbieter verlassen und auch nicht auf das Serien-Navi. Besser ein für Frankreich geeignetes Ladesäulen-Verzeichnis oder die der eigenen Roaming-Anbieter verwenden.
Nach kurzer Beratung beschließen beide erneut eine kleine Steckdose anzusteuern, die mit einer Leistung von 22 KW in Besancon-Zentrum verzeichnet ist.
22.000 Watt - "kleine Steckdose"? Ernsthaft jetzt? Das sagt zumindest etwas über die Kompetenz des Autors.
Dass die beiden Reisenden während der drei Stunden im Auto saßen und warteten [...] verbunden mit einem mehrstündigen Aufenthalt auf dem mitternächtlichen, gähnend leeren Parkplatz, der beiden etwas Tapferkeit abverlangt
Wow, alles auf einmal falsch gemacht - das muss man erst mal hinbekommen.
Auf einer langen Reise verwendet man üblicherweise Schnelllader, schließlich will man ankommen. Muss man sich zwischendurch mit einem langsamen Lader behelfen (sollte im Normalfall nicht vorkommen), lädt man soviel, dass es locker bis zum nächsten Schnelllader reicht.
Und was man wirklich nie, nie, nie macht ist darauf zu warten, dass der Akku voll wird. Das ist nämlich noch blöder, als Benzin-Tankstellen anfahren zu müssen. Wenn es tatsächlich nicht anders geht (ist mir in all den Jahren genau zweimal passiert), dann tut man derweil etwas Sinnvolles: Stadt besichtigen, Waldspaziergang, E-Mails beantworten, frische Luft, Picknick, Romantik - irgendwas.
Im Normalfall passiert so etwas in Westeuropa aber nur noch selten, da mittlerweile nicht nur die Fernstraßen mit Schnellladern gut versorgt sind - Tendenz stark steigend.
„Allerdings wird unsere Ladekarte an den großen Stationen nicht akzeptiert.“ [...] denn auch hier funktioniert die mitgebrachte Ladekarte nicht.
Gut, betrachten wir das noch einmal nüchtern: Dass nicht jeder Ladepunkt mit jedem beliebigen Roaminganbieter funktioniert, ist ein Schwachpunkt, keine Frage.
Das hat in erster Linie die Politik durch untaugliche oder fehlende Vorgaben oder das Hören auf lobbyistische E-Mobilitäts-Verhinderer verbockt. Allerdings lässt sich das Problem seitens der E-Mobilisten mittlerweile ziemlich leicht umgehen, siehe oben.
Wieder muss eine Steckdose mit 22 KW herhalten.
Doppelt hält besser? Das soll wohl irgendwie nach "Schwachstrom" klingen?! Dann einfach eine alte brennende 60-Watt-Glühlampe anfassen und beim Auftragen der Brandsalbe vergegenwärtigen, dass der Ladepunkt das 370-fache an Energie abgibt. Das vermittelt nachhaltig einen guten Eindruck von diesen "kleinen Steckdosen".
Er steckt über beide Ohren in Arbeit, weil er die Rückfahrt planen muss.
Das ist gewollt plakativ, aber im Kern nicht falsch. Auch wenn es von Tag zu Tag besser wird, ist derzeit mit "WeCharge" als einzigem Roaming-Anbieter tatsächlich Planung notwendig. Das sagt die VW-Werbung natürlich nicht, so wenig wie sie auf leistungsfähigere Alternativen hinweist.
bgl-tom schrieb:
Mal ehrlich, was erwartet ihr von Focus?
Nichts. Das alles stammt von efahrer.com, die nicht nur unter eigener Flagge publizieren, sondern eben auch Focus und Chip mit Beiträgen zur E-Mobilität versorgen. Alle drei gehören zu Burda Media.
Ich betrachte diese selbsternannte "Erste Adresse für E-Mobilität" als mäßig gut getarntes Sprachrohr der Verbrenner-orientierten Automobilindustrie. Durchaus ansprechende Berichte sind immer wieder durchsetzt von solchen des verlinkten Kalibers. Nach meinem Eindruck hat sich diese Seite der Verzögerung der Elektromobilität verschrieben, wobei die vermittelte Kernbotschaft lautet: Nur nicht umsteigen, weiterhin abwarten.
Die Story mit der angeblichen Horror-Urlaubsfahrt gab es aus gleicher Quelle in einer anderen Variante schon einmal; es ist noch keine 8 Wochen her:
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Familie fährt im E-Auto nach Frankreich: Ladechaos macht ihren Urlaub zur Hölle
Wir werden derlei in efahrer.com (Focus, Chip) nicht zum letzten Mal gelesen haben.
Grüße, Egon