Heute hatte ich Gelegenheit, den neuen Jazz Hybrid Probe zu fahren. Vorab bitte ich um Entschuldigung, dass ich keine Gelegenheit hatte, Bilder zu machen. Bitte ersatzweise meine Bilder weiter oben im thread betrachten: Genau so einer war das nämlich auch. Die gleiche Farbe, die gleiche Ausstattung, und auch sonst alles gleich, innen wie aussen. Der Wagen war nagelneu, Kilometerstand 214. Es ist einer der wenigen Händler-Fahrzeuge, die jetzt schon zugelassen sind (Deutschland-Premiere Mitte April). Ich bin 60 Kilometer damit gefahren, davon 50 Kilometer Autobahn und 10 Kilometer Stadt. Bedingungen ideal: 18 Grad, Sonnenschein, flache Strecken.
Natürlich vergleicht man immer mit dem eigenen Auto. Das mache ich jetzt im folgenden auch, aber es ist eigentlich unfair, denn der Prius ist in der PKW-Hierarchie zwei Klassen höher angesiedelt. Er ist einfach viel grösser, hat vor allem einen wesentlich grösseren Radstand (ungefähr VW Passat) und ist dabei niedriger, so dass er alleine schon aufgrund seiner Grösse und Bauweise satter und erwachsener auf der Strasse liegt als der kleine (3,99 Meter) und hohe Honda.
Der Jazz will und kann da nicht mithalten, er ist eben ein Kleinwagen, wenn auch ein Raumwunder. Er wuselt superflink um die Kurven, aber er liegt dabei nicht so satt und souverän auf der Strasse wie grössere Autos. Alleine schon durch seine Höhe hat er eine leichte Neigung zum Wanken. Trotzdem habe ich es auf trockener Strasse nicht geschafft, das ESP in die Regelung zu bringen, und ich habe es zweimal darauf angelegt. Das Fahrwerk ist wirklich gut abgestimmt, die Federung (Holger: Da muss sich was getan haben!) sogar eine ganze Ecke ausgewogener als im Prius II. Was allerdings auch kein Kunststück ist, denn der P II ist bekanntlich bretthart.
Nach meiner kurzen CT 200h-Probefahrt schrieb ich damals, dass man das Auto nicht mit dem Prius vergleichen kann. Der CT basiert nämlich auf der Auris-Plattform, der Prius aber auf der des Avensis. Einen Größenvergleich muss der CT daher zwangsläufig verlieren. So ähnlich ist das auch hier, aber nicht auf die Größe bezogen, sondern aufs Fahrgefühl. Der Prius bietet nicht wesentlich mehr Platz, aber das bessere Fahrgefühl. Schon alleine, weil er das grössere und niedrigere Auto mit dem grösseren Radstand ist. So gesehen ist ein direkter Vergleich grenzwertig.
Bevor ich jetzt im Detail zu Innenraum, Ausstattung, Instrumentierung komme, ziehe ich das Interessanteste vor, nämlich den Antrieb. Der Jazz ist ein "milder" Hybride, parallel und kombiniert mit einem konventionellen CVT, Systemleistung 100 PS. Wie fährt sich das? Schlüssel ins Schloss und kurz drehen: Der Motor wird ohne Anlasser und ohne jedes Geräusch angeworfen, dreht leise und niedrig im Leerlauf. Ich resette einen der Tripcomputer und fahre los, stufenlos, ruckfrei, aber trotzdem nicht ganz so super-sanft wie im Prius. Der Kraftschluss des echten CVT ist einfach spontaner, nicht so ganz linear wie im Prius (Auris, Lexus), schwer zu beschreiben. Aber trotzdem sehr gut und sanft, gar kein Vergleich mit einer konventionellen Automatik.
Gleich an der ersten Ampel, die blaue
"Motor kalt"-Leuchte ist gerade erloschen, schaltet der Verbrenner ab. Zu spüren ist davon nichts, der ist ja wirklich superleise und vibrationsfrei, Respekt! Eine grüne
"Auto Stop"-Leuchte blinkt, damit man das auch merkt. Ich lupfe vorsichtig den Fuss vom Gas und zack, sofort läuft der Verbrenner wieder. Zu bemerken ist das aber eigentlich nur am Drehzahlmesser und weil das
"Auto Stop"-Lämpchen wieder aus geht.
Ich fahre auf die Autobahn, rolle die ersten paar Kilometer mit dem Tempomat gemütlich hinter den LKWs her, Tacho 85, 90, 95 km/h, Hintergrundbeleuchtung in beruhigendem Hellgrün. Die Verbrauchsanzeige sinkt von anfänglich fast 7 Liter sehr schnell auf unter 5. Das Drehzahlniveau ist verblüffend niedrig. Nachdem ich die ganzen schönen Anzeigen (das Display ist in der Mitte des Tachos) mit den Lenkradtasten durchgeschaltet und betrachtet habe und sicher bin, dass das Motoröl mittlerweile warm ist, mache den ersten Beschleunigungstest - sprich: Linke Spur, Vollgas. Der Tacho wird sofort tiefblau, aber wenn’s mal nur das wäre...
Was ist denn jetzt? Der Motor dreht spontan auf über 6.000 Umdrehungen hoch und produziert dabei einen infernalischen Lärm. Ich runzle die Stirn: Das habe ich nicht erwartet! Aber eigentlich kein Wunder: Seine Drehzahl ist höher, das Auto kleiner, die Dämmung schlechter als im Prius - das Lärmniveau muss also höher sein, und glaubt mir, das ist es auch. Au Backe, was macht der kleine Jazz für einen enormen Rabatz, wenn man ihn tritt! Dagegen ist jeder Prius bei Vollgas ein Ausbund an akustischer Zurückhaltung. Ein wirklich unerwartet grosser Unterschied; vor allem auch, weil der Jazz in allen anderen Lebenslagen extrem leise ist.
Die 100 PS sind aber mehr als ausreichend, es geht zügig voran, ruckzuck ist er auf 130, 140, 150. Jetzt wird es dann vermutlich zäh, aber da schert auch schon die nächste Hohlbirne ohne zu Blinken vor mir auf die linke Spur; ich muss kräftig bremsen, sehe den Zeiger weit in den "Charge"-Bereich ausschlagen und denke so bei mir: Lass gut sein, schneller fahren bringt eh nix. Aber wenn’s drauf ankommt, geht auch das, ist ja gut zu wissen. Bei 150 km/h lag er jedenfalls noch völlig sicher auf der Strasse (ich glaube, Höchstgeschwindigkeit ist 175).
Ich fahre weiter mit Tempomat 100 km/h, keine LKWs mehr weit und breit, die rechte Spur vor mir ist frei. Der BC pendelt sich bei 4,5 Liter/100 km ein. Der Prius nimmt sich unter diesen Umständen ungefähr 4,2, aber die Frage ist, wie genau der Honda-BC ist. Beim Prius II weiss ich es (nämlich real = Plus 0,15), aber beim Jazz nicht, so dass sich keine abschliessende Aussage treffen lässt. Vom Gefühl, ohne Gewähr: Der Jazz verbraucht unwesentlich mehr als der Prius, jedenfalls aber nicht weniger, obwohl weniger Leistung und Gewicht.
Aber er ist ja auch kein leistungsverzweigter Vollhybride, sondern ein paralleler Mildhybride, das ist eine andere Baustelle. Davon ist gar nicht soviel zu spüren; es wird mir erst wieder bewusst, als ich die Autobahn verlasse und in den nächsten Ort rein fahre. Am Ortseingang zähfliessender Verkehr mit Stillstand. Der Prius hätte hier dauerhaft seinen Verbrenner abgeschaltet, der Jazz lässt ihn an. Nur bei völligem Stillstand mit Fuss auf der Bremse geht er aus. Zu hören ist im Stadtverkehr trotzdem nichts.
Ich fahre eigens in ein Wohngebiet, Tempo 30-Zone. Der Drehzahlmesser steht so auf 1200 Umdrehungen (da steht er auch bei Tempo 80). Ich lasse die Scheiben runter: Ja, tatsächlich, der Verbrennungsmotor säuselt leise vor sich hin, aber das muss man schon hören wollen. Ich schaffe es sogar mal ein kurzes Stück, laut Instrumenten rein elektrisch zu fahren, so ungefähr zwischen Tacho 35 und 50. Aber auch dann wird der Verbrenner mitgeschleppt (Ventile zu, Einspritzung aus). Der Drehzahlmesser geht nur mit Fuss auf der Bremse auf Null, und nur dann blinkt auch das grüne Lämpchen.
Während meiner Tempo 30-Zonen-Fahrt springt der BC auf 4,4. Es ist die niedrigste Anzeige, die ich zu Gesicht bekommen soll. Kurz vor der Abgabe später steht (nach einer etwas flotteren Autobahn-Etappe) eine 4,7 auf dem Display, die sich dann letztlich bis zum Ziel wieder auf 4,5 reduziert hat. "Passt schon", denke ich so bei mir. Das ist vielleicht so um die 5, maximal 10 Prozent über dem Prius-Verbrauchsniveau. Für die wesentlich simplere Technik ein sehr guter Wert, wenn auch der handgeschaltete Honda Insight der ersten Generation... Na, Ihr wisst schon. Der Fortschritt ist eben nicht aufzuhalten.
Das Raumgefühl im Jazz ist sagenhaft. Dabei ist der Innenraum kleiner und das Auto schmaler, und ich selbst habe eine Statur wie der Hulk. Trotzdem sass ich so bequem wie im wesentlich grösseren Prius: Keine Spur von Enge, alles sehr luftig und über mir ein riesiges Glasdach (der Knaller!). Die linke Tür war vielleicht eine Spur näher an meiner Schulter, aber das wars auch schon. Im Jazz ist deutlich mehr Platz als im neuen Lexus CT 200h, und (das glaubt mir jetzt wahrscheinlich niemand) nicht viel weniger als im Lexus GS 450h, der immerhin 4,90 Meter lang ist.
Der Kofferraum hat über 300 Liter, und das in einem winzigen Kleinwagen. Wenn man die Sitzflächen der Rückbank wie im Kino nach oben klappt, kann man von der Seite quer durch den Wagen durchlaufen, Topfpflanzen senkrecht transportieren oder auch ein Kinderfahrrad hinter den Vordersitzen reinstellen. Wenn man dagegen alles nach vorne umklappt, passen fast 1.4 Kubikmeter Zeug hintenrein. Das ist genausoviel wie im wesentlich längeren Prius, nur dass die Ladefläche im Jazz etwas kürzer, dafür aber höher ist.
Die Instrumentierung mit drei hintergrundbeleuchteten Rundinstrumenten ist ausgesprochen gelungen, wirklich schick, auch wenn das mickrige grafische Display nicht mit dem tollen Farb-MFD im Prius II mithalten kann. Dafür gibt es wesentlich mehr Anzeigemodi, inklusive eines durchaus gelungenen Stromfluss-Schemas. Warnungen sind gelb hinterlegt und in deutschem Klartext, mit Umlauten und fehlerfrei. Der BC hat zwei Tripcomputer und mehrere zum Sparen motivierende Anzeigen, bei denen man grafische Symbole (Bäumchen mit Blättern) sammeln kann. Das ist so gelungen integriert, dass man sich wahlweise bereitwillig darauf einlassen oder es auch einfach komplett ignorieren kann, wenn man nichts davon hält. Wirklich durchdacht!
Der Eco-Modus ist Standard und lässt sich auf Tastendruck abschalten. Das Audio-System ist vom Klang her eher "Na ja, es geht so", also nicht wirklich gut. Höhen und Bässe auf Maximum, Fader leicht auf hinten, dann ist es zum Radiohören ganz OK, aber nicht prickelnd. Ein USB-Anschluss ist Serie, alles MP3-fähig, auch der CD-Spieler. Der UKW-Empfang ist erheblich stabiler als in Prius II, III und Auris. Komfortblinker (einmal Antippen blinkt dreimal) sind serienmässig, ich persönlich kann mich damit aber immer noch nicht anfreunden.
Die ebenfalls serienmässige Klimaautomatik lässt sich hervorragend bedienen und kühlt auf Wunsch auch das obere Handschuhfach gleich mit. Das runde Klima-LC-Display ist separat und sehr schön anzuschauen. Der Tempomat ist serienmässig, wird mit Lenkradtasten bedient und funktioniert tadellos. Zwei Kontroll-Leuchten zeigen Einsatzbereitschaft und Aktivität getrennt an. Zwei Warntöne (zum Beispiel bei 50 und 80 km/h, beliebig einstellbar) lassen sich zusätzlich aktivieren. Das Auto hat kein Tagfahrlicht (keine Pflicht, da die Europa-Zulassung des Modells bereits vor einem bestimmten Stichtag beantragt wurde).
Die Materialqualität im Innenraum liegt irgendwo zwischen Prius II und III. Viel schwarzes Hartplastik, aber wenigstens augenscheinlich keine kratzempfindlichen Oberflächen (ob das tatsächlich so ist, weiss man erst in ein paar Monaten). Die Türinnenseiten sind sogar mit weichem Stoff bezogen, ich fand sie haptisch ansprechend, aber optisch hässlich, weil ebenfalls tiefschwarz.
Die Sitze sind knackig hart, die Sitzbezüge wirken nicht besonders hochwertig, wenn auch besser als im P II mit Stoffausstattung. Eine Mittelarmlehne fehlt, am Fahrersitz ist aber eine Armlehne zum Ausklappen, die viel zu kurz und zu schmal ist (jedenfalls mit dem Hulk am Steuer). Die Sitzflächen sind (zu) kurz, auf allen vier Sitzen. Trotzdem sitzt man nirgends unbequem. Der Fahrersitz lässt sich in der Höhe verstellen, das Lenkrad in Höhe und Tiefe. Ist der Sitz ganz unten, ganz hinten und das Lenkrad ganz oben, sitzen auch Riesen bequem. Sind die Vordersitze ganz hinten, bleibt hinten trotzdem noch erstaunlich viel Knieraum, jedenfalls für Kleinwagen-Verhältnisse.
Die Verarbeitung wirkt sehr routiniert, da wackelt nix, da quietscht nix, die Spaltmasse sind gleichmässig. Das gilt überall, selbst die elektrische Abdeckung des riesigen Glasdachs ist absolut sauber eingepasst und bewegt sich fast lautlos. Der Innenraum macht insgesamt einen vom Material her eher einfachen, aber dennoch qualitativ hochwertigen Eindruck.
Alles in allem: Das Fahrzeugkonzept des Jazz war schon ohne Hybrid-Antrieb überzeugend. Als milder Hybride mit CVT und Start/Stopp hat das Auto nochmals deutlich gewonnen. Für mich ist das die A-Klasse, die Daimler eigentlich hat bauen wollen, aber nie gebaut hat (dieser Vergleich stammt nicht von mir, aber das ist auch meine Meinung). Wer sich für einen mehr als pfiffigen Kleinwagen interessiert, sollte dem Jazz Hybrid seine Aufmerksamkeit schenken. Das gilt auch, wenn man eigentlich eine Fahrzeugklasse oberhalb einsteigen wollte.
Ob Honda mit dieser Hybrid-Variante Hybrid-Marktführer werden wird, wage ich zu bezweifeln, aber ich schätze, die basteln ohnehin schon an der nächsten Generation. Jedenfalls ist der Unterschied zu einem leistungsverzweigten Vollhybriden im Ergebnis (Fahrgefühl, Verbrauch) unterm Strich zwar sehr wohl spürbar, aber auch wiederum nicht so gross, wie es die doch stark differierende Technik eigentlich erwarten lässt.
Grüße, Egon
Ein Alpenpass mit so einem Motor ist einfach toll zu fahren! Vor allem, weil beim IMA-System mittels der Schaltwippen die Übersetzung schon vorgewählt werden kann, bevor man sie braucht. Da ist der Prius einfach indirekter.
