So, jetzt habe Ich das alles durchgelesen und gebe mal meinen Senf dazu:
1. Angeblich höhere Kühlwassertemperaturen bei neueren Modellen
Die Annahme, daß der Hersteller versucht, durch späteres Umschalten (andere Punkte) des Wasserkühlkreislaufes mehr Motorwärme zu belassen, könnte theoretisch stimmen, weil dann der Wärmegradient im Motor geringer ist. Die Umschaltpunkte lägen dichter und es gäbe einen geringeren Unterschied zwischen "Heiss genug" und "schon fast zu Heiss". Bekanntlich ist es die (dynamische) thermische Ausdehnung, die den kalten und wäremer werdenden Motor schädigt. Diese ist so geringer. Der ideale Motor hat ja je nach Leistungslevel eine perfekte konstante Temperatur und einen gleichmässigen Kühlwasserfluss, arbeitet also mit einer kontinuierlichen Regelung. Die in Autos verbaute 2-Punkt-Regelung muss da Kompromisse eingehen, auch wenn sie in einem Übergangsbereich quasikontinuierlich regelt.
Allerdings halte Ich das nicht für sonderlich bedeutend. Eher schon ist es wichtig, einen sehr kurzen ersten Kühlkreislauf zu haben, damit der Motor sich rasch aufheizen kann. Der ändert sich von Motor zu Motor meistens stärker. Modellabhängige Wassertemperaturen könnten also auch überwiegend Zufall sein.
2. Besondere Kühlung der Inverterelektronik notwendig
Solche Schaltungen werden üblicherweise für den sogenannten "erweiterten Temperaturbereich" dimensioniert und entsprechende Bauteile eingesetzt. Je nach Typ halten die mehr oder weniger aus und dies ist leider sehr nicht-linear. Oftmals tut sich unterhalb einer gewissen Temperatur gar nichts, während die Lebensdauer oberhalb mit jedem Grad exponantiell abnimmt.
Die in der Automotive verwendeten (billigen) Halbleiter, meistens MosFETs oder IGBTs z.B. arbeiten ohne Probleme bis 125° Junction-Temperatur, was aber bedingt, dass sie auf dem Kühlkörper maximal 100 Grad "sehen" dürfen. Da ist oft nicht allzuviel Luft, wenn die Aussentemperatur in einem Gerät entsprechend steigt. Die Kühlkörper sind entsprechend.
Da hier aber eine Wasserkühlung vorliegt, sollte man die Verlustwärme gut wegbekommen können, zumal die Elektronik im normalen Schaltbetrieb recht wenig Verlustleistung produziert. Das gigantische Problem haben z.B. reine Elektroantriebe mit einem blockierten Motor, der beim Anfahren gegen einen Widerstand fährt und sich das Drehfeld kaum weiterbewegt.
Die Elektronik hat entsprechende Schutzschaltungen, die dann abschalten. Ein Kunde von mir hat da auch ein Patent, wie er mit diesem Betriebsfall umgehen muss, um Strom und Leistung und damit Erwärmung zu sparen und es länger auszuhalten.
Die alles entscheidende Frage ist nun, auf welche Aussentemperaturen man die Elektronik ausgelegt hat und mit welche Reserven man da arbeitet: Sensoren und andere Bauelemente müssen ja auch mit der Motorraumtemperatur auskommen und vor allem ist die letztlich für die Wärmeleistungsmenge verantwortlich, die der Kühler maximal abführen kann. Die Temp steigt eben bei schlechter Belüftung an. Der Kühler bekommt da aber nur dann ein Problem, wenn die dauerhaft absolut zu hoch ist:
3. Motorraumkühlung
Davon ausgehend muss man bedenken, dass die Motorraumtemperatur meistens bei geringen Geschwindigkeiten nach oben geht, weil der Fahrtwind fehlt. Das sieht man an den gekillten Kühlern und Motoren im Stau. Der kritische Zustand ist der, wenn man hohe Geschwindigkeiten hatte und dann ins Kriechen kommt. Der Hybrid sollte damit eher weniger Probleme bekommen, weil in der Situation der Motor ja ausgehen darf und elektrisch effektiv gerollt wird, ohne viel Energie zu verbraten. Man müsste jetzt mal wissen, ob sich das System dabei langfristig aufheizt, oder eher abkühlt. Den Beschreibungen in diesem thread entnehme Ich dass sich der Motorraum schon bei mäßigen Wintertemperaturen auch unter etwas Last eher abkühlt, von daher dürfte sich eher das Problem ergeben, dass trotz blockings der Motor zu rasch auskühlt und wenn überhaupt - ein Hitzeproblem später auftritt, als beim normalen Verbrenner.
Generell würde Ich sagen, dass die Autobahn, vor der die meisten wohl Angst haben, weniger ein Problem sein sollte, weil dort ja eine gute Belüftung herrscht (wenn auch mit der Einschränkung, dass die nicht beliebig gut wird, weil irgendwann "mehr Luft" nicht "mehr kühle Luft" bringt). Jedenfalls bekommt man, wenn der Motor bei konstantem Fahren nicht voll belastet wird, kaum ein eine Überhitzung hin, meine Ich.
4. Belüftung während der Fahrt
Bei der Luftströmung ist zu beachten, dass bei hohen Geschwindikeiten sehr viel Unterdruck unter dem Wagen entsteht und die Luft förmlich durchgezogen wird, bis hin zu einer sich ausbildenden Turbulenz, die das Ganze dann zunehmend blockiert und nicht weiter verbessern wird. Das führt dazu, dass bei höheren Tempi wie schon angedeutet, die Belüftung nicht mehr beliebig besser wird, aber umgekehrt schon bei mittleren Geschwindigkeiten durch die kleinsten Ritzen noch Luft angesogen wird. Den Grill also halb zuzustopfen dürfte bei hohen Geschwindigkeiten kaum etwas bringen, weil die Luft trotzdem noch gut und schnell ausgetauscht wird.
Ich würde mal sagen, dass man auch mit einem halb zugeklebten Grill bei hohem Tempo noch 70% der Belüftung hat und bei Tempo 80 aufwärts generell genug Luft durchzieht, damit der Kühler überwiegend Aussentemperatur um sich hat und arbeiten kann. Wie genau man dabei oben und unten unterscheiden kann, um Motorkreislauf abzudecken und gleichzeitig Inverterkreislauf unblockiert zu lassen, stelle Ich mal infrage. Das hängt von den Turbulenzen ab, denn die sind es welche die Isolationsschichten um einen warmen Körper auflösen und das Kühlen verbessern. Dass ein Kühler an einer bestimmten Stelle scheinbar stark laminar angeströmt wird, muss nichts bedeutet.
Dabei dürfte sich das auch wieder von Modell zu Modell unterscheiden, weil die Motorräume von unten anders belüftet werden und aussehen, bzw sich bei anderen Geschwindigkeiten ganz andere Strömungsverhältnisse einstellen.
Wenn man das alles mal zusammenzieht, muss man auf den ersten Blick wohl sagen, dass in unseren Breiten die Kühlung sicher meistens unterfordert ist, weil die Autos ja auch in der Wüste (und die SUVs in den Dünen!) funktionieren müssen und dies gfs bei Langsamfahrt. Von daher lautet die Vermutung "grill blocking" ok!
Allerdings gibt es einen kleinen Haken: Die Software der Fahrzeuge könnte sich - wie bei anderen Vehikeln und Kühlsystemen auch - jeweils der Umgebungstemperatur angleichen und die Kühlung entsprechend regeln. D.h. Umschaltpunkte für den Wasserkreislauf und das Einsetzen des Ventilators für den Kühler werden auf einander abgestimmt und die wäre dann länderspezifisch. Das würde man durch ein grill blocking möglicherweise "verbiegen". Kann sein, dass das was ausmacht:
Die Strategien für das Temperaturmanagement sind nämlich durchaus nicht unbedingt linear oder monoton, wie der Mathematiker sagt, sondern ein Kompromiss zwischen Energieaufwand, Materialschonung und Betriebsrisiko, angepasst auf die Dauer eine Last / Überlast:
Um ein konkretes Beispiel zu nennen, wird bei einem elektrischen Leistungsmotor im 1kW-Bereich die Wasserkühlung ein bischen mit der Motortemperatur mitgeschoben, was für den Laien zunächst nicht plausibel ist, da geringere Temperaturen den Motor besser kühlen würden. Die höheren Temperaturen sorgen aber für einen geringeren Unterschied der Temperaturen im wärmer werdenden Motor und damit weniger Verschleiß in den Lageren. Zu Beginn einer Hochlastphase lässt man daher nur eine geringe Differenz zu und akzeptiert eine hohe Differenz am Wasser-Luftkühler. Erst wenn die zu gross wird und die Wärmekapazität des Kühlers in hat erwärmen lassen schaltet man in einen Kompromiss zwischen beiden Anforderungen um die Kühlung zu optmieren und den Kühler vor dem Platzen zu bewahren. Wenn dann jemand dem Motor mal kurz sehr viel Pulsleistung abverlangt, wird die Kühlung sogar kurz verschlechtert, damit der Kühler es verträgt und die Temperatur im Motor steigen kann und er nicht wegen der Differenzen kurzfrisitig zerstört wird. Den Punkt darf er aber nicht lange fahren, weil er sonst zu heiss wird und wird daher nach einigen Sekunden runtergeregelt. Motor und Kühler werden dabei in einem optimalen Fenster gehalten, welches Dynamik in beide Richtungen zulässt und dies mit etwas Vorausschau. In einem von mir mitentwickelten System wird dabei auch ein Lastfall vorausgeahnt und taktisch geschickz vorgekühlt oder vorgeheizt.
Bei der Kühlung der zugehörigen Leistungselektronik sieht es mehr oder weniger invers dazu aus, d.h. je mehr Leistung, desto überproportional mehr Kühlung bis hin zum Limit wird gefahren.
D.h. es wird geschaltet, was nötig ist und wird es der Elektronik zu warm, weil die Lastspitzen zu dicht und / oder zu hoch sind, wird elektrisch runtergeregelt, es sein denn der Nutzer betätigt den Panikbetrieb und fährt das Ding weiter, mit dem erhöhten Verschleiss und dem Risiko des Sterbens von Bauteilen.
In der Anahme, dass die Elektronik in den Hybriden vernünftig gebaut ist, sollte bei einer drohenden Überhitzung eine Leistungsbegrenzung einsetzen. Kaputtgehen sollte sie also nicht. Altern könnte sie aber und das halte Ich auch für wahrscheinlich:
5. Alterung der Elektronik
Wie oben schon geschrieben, halten die Bauteile für solche Leistungsantriebe locker 100 Grad an der Bauteiloberfläche aus. Allerdings altern sie theoretisch schon etwa 80 Grad, wenn gleichzeitig hohe Ströme fliessen / Spannungen anliegen. Bei MOS-Fets ist das vor allem auch Atommigration infolge der Feldstärken. Das Verhalten ist in der Regel sehr genau bekannt und dokumentiert und die Auslegung entsprechend, d.h die Ansteuerlogik der Elektronik misst die Ströme und Temperaturen der Transistoren und steuert diese so, dass die Leistung optimiert und limitiert wird. Diesbezüglich gibt es eine Unzahl von Lösungen und Optimalansätzen, die Spannungen und Verluste zu optimieren und zu reduzieren bis hin zu dem (meinem) Thema der Optimierung der Ansteuerung für Akustik und Schwingungsdämpfung. Dazu gibt es z.B. thermische Modelle, die in Echtzeit berechnet werden und in die Steuerung einfliessen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass ein Transistor mal nicht sauber eingelötet ist, ein Wärmepad schlecht verklebt wird oder er schief drauf sitzt, sich ein Kühlkörper lockert, Öl einkriecht und der thermische Übergang schlecht ist. Da gibt es schon Reserven.
In dem angeführten Beispiel ist die Lebensdauer des System z.B. bei unter 80 Grad 25 Jahre und entspricht der Lagerungsfähigkeit. Bei Normalbetrieb (Gaussverteilung um 90 Grad mit +/-10) sind es 10 Jahre. Vollast mit 110 Grad packt die Elektronik eine Minute und bei dem vom Kunden definierten Lastanteil von 1% (passiert also kaum) lebt die Schaltung auch die garantierten 10 Jahre, weil die 1% nichts ändern. Bei 10% Vollastanteil macht sie es aber nur 1 Jahr, weil die Schäden dann dominant werden. Bei Überlastungen mit Abschaltung und den dadurch erreichten Betrieb der Halbleiter um 120° vertragen die das 15 sec und der Vorgang ist nur 10x garantiert.
Die Elektronik merkt aber, dass sie altert, zeigt es an und kann ausgetauscht werden, damit sie im Feld nicht ausfällt.
Autoelektroniken können das in der Regel aber nicht, werden auch vor Auslieferung nicht getestet und genau vermessen oder selektiert - sie dürfen ja nichts kosten. Dafür werden aber speziell die Umrichterelektroniken heute intelligent gesteuert, dass sie mit einem ausfallenden Transistor klarkommen können (ein Kunde von mir hat da ein Patent auf einen Multi-Level-Controller).
Ich schätze die Situation zumindest für die Elektronik so ein, dass die zwar durch das grill blocking ein paar Grad wärmer werden kann, ihr das aber nicht schadet. Ob sie ausfällt, liegt eher an dem Zufall, ob man ein Montagsauto mit schlechter Elektronik bekommen hat, die irgendwo einen Defekt hat.
Um genauere Aussagen zu machen, bräuchte man allerdings eine MTBF-Analyse der Elektronik auf dem Tisch. Was Ich so kenne, sind die Teile in der Automotive auf die besagten 10 Jahre kalkuliert, d.h. >97% der Fahrzeuge überleben die 5 Jahresgrenze und dort liegt ja offenbar auch die garantierte Betriebszeit der Hybridtechnik.